Ein kurzer Moment kann das Leben verändern

Unser Gehirn steuert den Körper. Treten hier Fehler auf, kann es zu folgenschweren Schäden kommen, die den ganzen Körper betreffen. Die häufigsten Ursachen treten nach Unfällen oder Schlaganfällen auf. Betroffene verlieren das Bewusstsein und wachen erst nach Stunden, Tagen oder gar Wochen im Krankenhaus auf. Zumeist wissen Patienten dann nicht sofort, was passiert ist. Diese Phase wird von den Patienten unterschiedlich erlebt. Viele berichten von traumähnlichen diffusen Erinnerungsstücken, die kaum zuordenbar sind und mitunter auch beängstigende Bilder mit sich bringen. „Wir versuchen, dem Patienten Raum für Gedanken und Gefühle zu geben und klären die aktuelle Situation. Damit geben wir Hoffnung und Sicherheit zugleich.“, erklärt Thomas Deckert, Leiter der Neuropsychologie im Krankenhaus Ludmillenstift.

Eine Schädigung des Gehirns führt in den meisten Fällen zu spürbaren Veränderungen oder Beeinträchtigungen. Deutlich erkennbar sind diese an körperlichen Behinderungen oder auch Störungen von geistigen Leistungen, Wahrnehmungen und des eigenen Erlebens. In dieser Phase filtern die Neurologen betroffene Funktionen und vorhandene Fähigkeiten. Der Patient versucht sich mit voller Kraft an Dinge zu erinnern: Was habe ich gestern gemacht? Wo wohne ich? Kann ich mich auf mich verlassen und sind mir meine Gefühle und Gedanken vertraut? Fühle ich mich von meinen Angehörigen verstanden? Die gegenwärtige Situation wird mit den Betroffenen gemeinsam erlebt und Sorgen und Hoffnungen geteilt. Je nach Situation kann auch zuallererst Ruhe und Entspannung förderlich sein.        

Nach einer ausführlichen Diagnose der Einschränkungen und Fähigkeiten beginnt das gezielte Training. „In dieser Phase versuchen wir beeinträchtigte Leistungen wiederaufzubauen und für den Alltag nutzbar zu machen. Die Patienten trainieren ihre Fähigkeiten am Bildschirm oder mit lesen, schreiben und rechnen. Das Autofahren beispielsweise wird an einem Fahrsimulator erprobt.“, berichtet der Neuropsychologe.

Für die meisten Patienten mit einer schweren neurologischen Erkrankung stellt sich früher oder später die Frage, wie es weiter geht: Kann ich mich wieder selbständig versorgen? Kann ich wieder arbeiten? Darf ich wieder Autofahren? Was bin ich jetzt noch wert? Diese und viele weitere Fragen beschäftigten die Patienten sehr und das Neurologenteam versucht den Patienten beizustehen, die Unsicherheit mit auszuhalten und Ideen für eine zukünftige Lebensperspektive zu entwickeln. Das Trauern um die verloren gegangenen Leistungen kostet Zeit und ist wichtig, um die Bereitschaft für einen neuen Lebensweg zu ermöglichen. Ärger, Verzweiflung und Ohnmacht dürfen in der Therapie zugelassen und bearbeitet werden.

Nicht alle Patienten werden wieder ganz gesund. Manche müssen mit Behinderungen und Einschränkungen weiterleben. Das Team um Deckert erarbeitet mit den Betroffenen eine Perspektive, in der ein erfülltes Leben wieder möglich sein kann. Es ist wünschenswert, die Erkrankung als Bestandteil des Lebens zu integrieren und Ideen für neue Freizeitbeschäftigungen zu entwickeln. In dieser Phase ist die Rolle der Angehörigen von wichtiger Bedeutung. Durch Berührungen können sie dem Patienten ihre Liebe, Anteilnahme, Verständnis und Fürsorge zeigen, was sich wiederum positiv auf die Gefühlslage der Betroffenen auswirken kann.

 

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