Wenn der Abschied absehbar ist! Die Hospiz Hilfe Meppen e.V. im Interview mit Gesundheits- und Krankenflegerin Kerstin Diller

28.03.2024 Stephan Wendt von der Hospiz Hilfe Meppen e.V. trifft sich mit der Gesundheits- und Krankenpflegerin Kerstin. Sie arbeitet im Ludmillenstift auf der onkologischen Station und im ZeitRaum. Als er sie kommen sieht, merkt er ihr die Geschwindigkeit des Stationsalltags an. Sie sagt: „Die Arbeit auf den beiden Stationen unterscheidet sich von Grund auf. Auf der Station herrscht immer reges Treiben. Zu Dienstbeginn wird man direkt mit der klangvollen Melodie des Telefons willkommen geheißen, am anderen Ende der Leitung: verschiedene Fachabteilungen, die ihre PatientInnen zu den gewünschten Untersuchungen einbestellen oder besorgte Angehörige, die sich nach dem Wohl ihrer Liebsten erkundigen. Nebenher ertönt die Patientenklingel, oft mehrere gleichzeitig. Auf dem Weg, die Klingeln abzuarbeiten, kreuzt man den Weg anderer: Physiotherapie, die sich erkundigt, wie zufrieden die Patientin heute ist. Der Sozialdienst, der die erfreuliche Nachricht über einen Kurzzeitpflegeplatz überbringt und ein Arzt, der erwähnt, dass ein Patient heute noch EK [Bluttransfusion, Anm. d. Red.] erhält. Im Kopf ist alles notiert und die Füße sind warmgelaufen. Doch die Zeit rennt.“

     Das Bild zeigt die März Ausgabe mit dem Interview.

Wir sind am ZeitRaum angekommen und gehen hinein. Kerstin: „Hier ist es still. Nichts von dem, was ich eben erzählt habe. Alles ist entschleunigt. Das spüren die PatientInnen und Angehörigen. Und es ist genau das, was sie brauchen. Eine Oase der Ruhe. Zeit, um sich voneinander verabschieden zu können, ganz fern ab von Hektik und Lärm. Ich komme hier in einen Raum, in dem auch Zeit für Gespräche bleibt, ohne den Druck zu verspüren, man müsse sofort wieder weiter.“

Wie ist es für dich, Sterbende zu pflegen?

„Wenn die PatientInnen in den ZeitRaum verlegt werden, ist der Weg vorbestimmt. Den PatientInnen, den Angehörigen und auch mir ist bewusst, dass die Zeit begrenzt ist. Umso mehr liegt es mir am Herzen, diese letzte verbleibende Phase zu einer ganz besonderen zu machen. Es gibt mir ein wärmendes Gefühl, Menschen in einer der herausforderndsten Situationen im Leben zu unterstützen.“

Dafür muss man ja auch ein stückweit geboren sein?

„In meiner Ausbildung absolvierte ich einen mehrwöchigen Einsatz auf der Palliativstation in Thuine. Die Arbeit dort war so bewegend und hat mich tief berührt. Ich wusste von da an, dass ich genau in diesem Bereich arbeiten möchte.“

Welche Momente erfüllen dich in deiner täglichen Arbeit am meisten?

„Tatsächlich sind es die, wenn PatientInnen friedlich einschlafen konnten und die Angehörigen sich trotz der schweren Situation gut aufgehoben und aufgefangen fühlen. Die Dankbarkeit dieser Menschen ist wirklich ein herzerwärmendes Gefühl.“

Und welche sind die schwersten Momente?

„Wenn Eltern ihr Kind am Sterbebett begleiten müssen. Ganz gleich, wie alt das Kind ist, für Eltern gibt es nichts Schlimmeres, als ihr eigenes Kind sterben zu sehen oder zu Grabe tragen zu müssen. Der Anblick dabei ist beklemmend und traurig.“

Wie gehst du damit um, wenn ein*e PatientIn im ZeitRaum verstirbt?

„Grundsätzlich kann ich mit dem Sterben meiner PatientInnen gut umgehen, denn mir ist zu jeder Zeit bewusst, dass meine Station die Endstation bedeutet. Hier kommt der Tod nicht unerwartet, sondern ich gehe diesen letzten Weg bewusst mit den PatientInnen und deren Angehörigen gemeinsam. Hier gibt es immer Situationen, die einem etwas leichter fallen und andere, die schwerer sind.“

Welches bewegende Erlebnis hat dich im ZeitRaum besonders berührt?

„Ich hatte einen Patienten in den ZeitRaum aufgenommen, der zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr ansprechbar war. Jeden Tag kamen Angehörige und setzten sich an das Sterbebett, um sich zu verabschieden. Der Patient war in einem schlechten, aber stabilen Zustand. Die Atmung war gleichmäßig und kräftig. Und es sah noch nicht so aus, als würde er zeitnah versterben. An jenem Nachmittag kam der Ehepartner zu Besuch, er erzählte von den vielen Reisen, die sie zusammen unternommen hatten. Aber ein Ort in Österreich hat die beiden jedes Jahr aufs Neue verzaubert und er schwelgte in Erinnerungen und betonte, wie gerne sie doch immer und immer wieder dorthin gefahren sind. In diesem Moment kullerten ein paar Tränen über die Wangen meines Patienten, er hörte auf zu atmen und starb. Es war, als hätte er alles mitbekommen und wäre mit diesen wunderschönen Erinnerungen für immer eingeschlafen. Wenn ich daran zurückdenke, bekomme ich noch immer eine Gänsehaut.“

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